GC Ebreichsdorf

Kreatives (Kinder)Spiel

Von Thomas Weidinger

PGA-Proette Marie Pippan und die Verbandsärzte Dr. Robert Kocher und Dr. Bernhard Zwick beleuchten im GC Ebreichsdorf einen wesentlichen Aspekt des Golfspiels: die Kreativität – im Kindesalter und bei erwachsenen Golfern.

Bilder in Golf-Magazinen, Fernsehbeiträge oder Videoclips im Internet von gleichsam wunderbaren Zauberschlägen der Golfprofessionals verzücken uns. Aus scheinbar unmöglichen Lagen wird der Golfball in eleganten Kurven um Hindernisse herum durch die Luft bewegt. Dazu werden auf den ersten Blick für die jeweilige Situation scheinbar unbrauchbare Schläger gewählt. Bei allem Respekt vor dem technisch-taktischen Können der Athleten und der zunehmenden körperlichen Fitness bleibt ein Aspekt des Sports in der Berichterstattung viel zu wenig beachtet – die Kreativität!

 

Marie, Du bist wie auch Dein Kollege Martin Rentenberger im Osten des Landes für ein neuartiges Konzept des Kinder-Golftrainings bekannt. Was ist die Besonderheit des Programms und warum habt ihr beide so regen Zulauf zum Kindertraining?

Marie Pippan: Wir versuchen Kinder für Golf zu begeistern, indem wir in den ersten Jahren weniger den technisch-taktischen Gedanken forcieren, als vielmehr die Freude am Spiel und am Experimentieren fördern. Der Spaß an der Bewegung steht im Vordergrund und wir können mit einfachsten Mitteln viel für die Grundmotorik und allgemeine Sportmotorik der Kinder tun. Wir orientieren uns am Junior-Programm von TPI (Titleist Performance Institute) und passen das an die lokalen Bedingungen an. Dabei ist es wichtig, den Kindern offene Räume zur Bewegung aber auch für individuelle Entscheidungen zu geben. Bei mir wird in einem 90-minutigen Kindertraining nur in einem geringen Zeitraum wirklich klassisches Golftraining auf der Range  mit Schlagen von Golfbällen verbracht.

Kocher + Zwick: Golf gilt unter Fachleuten als eine der schwierigs-ten Sportarten überhaupt. Wer denkt, dass im Alter von fünf bis sieben Jahren der richtige Zeitpunkt ist, technisch perfekte Bewegungsabläufe im Golf zu erlernen, der irrt. Golf ist eine Sportart mit später Spezialisierung, und es sollte vor allem in jungen Jahren im Golftraining die allgemeine Körperausbildung im Vordergrund stehen. Das Werfen ist ein gutes Beispiel, wie ganz allgemeine Dinge für den Golfsport wichtig sein können. Das Experimentieren mit verschiedenen Flughöhen und -weiten, die Reaktion des Wurfgegenstands, wenn er den Boden trifft etc. – all das sind Dinge, die im kurzen Spiel gebraucht werden. No throw – no pitch! Wer gewisse Fertigkeiten in der Kindheit nicht lernt, wird in seiner späteren Sportkarriere stets mit diesen Fertigkeits-Barrieren zu kämpfen haben.

Auf die Kreativität im Golf angesprochen: Was denkst Du, kannst Du den kleinen Sportlern für ihre spätere Sportkarriere mitgeben?

Marie Pippan: Ich sehe vor allem in jungen Jahren den Spaß an der Bewegung als die treibende Kraft, um zu experimentieren und neue Dinge zu entdecken. Einfach neugierig zu sein und zu bleiben finde ich sehr wichtig. Mit einem langsam größer werdenden Bewegungspotenzial und zunehmender Erfahrung entstehen dann wie von selbst neuartige und individuell wertvolle Lösungen für kleine oder größere Problemchen – für kreatives Golf eben.

Kocher + Zwick: Das freie Spiel unter Kindern in möglichst freien Räumen ohne besondere Regeln ist ein heute stark vernachlässigtes Element der langfristigen Kinderentwicklung. Es liegt an modernen Kindersporteinrichtungen, diese Möglichkeiten zu bieten und damit soziale und kulturelle Veränderungen im Umgang mit Kindern zu kompensieren. Dass Kinder in modernen Kindergolfschulen laufen, springen, hopsen, werfen, fangen, kicken und Schläger schwingen, scheint auf den ersten Blick befremdend, ist aber genau der richtige Ansatz, wenn man sicherstellen will, dass junge Menschen später Spaß an Golf haben und dem Sport lange treu bleiben. Die Kreativität entsteht bei einer dem biologischen Alter der Kinder angepassten Betreuung fast wie von selbst. Das Lösen und oftmalige Wiederholen  kleiner Aufgaben mit neuen individuellen Ansätzen ist ein starker Motivator im Kindertraining. Genau diesen kreativen Anteil im Golf lieben Erwachsene, aber insbesondere junge Golfer.

Kreativität hängt also auch mit der langfristigen Entwicklung junger Sportler zusammen. Was aber können Erwachsene tun? Gibt es praktische Tipps, die Golfer sofort umsetzen können?

Marie Pippan: Natürlich können Golfer in jedem Alter kreative Lösungen im Golf lernen. Zum Beispiel, indem sie ihren Heimatplatz mit nur 5 Schlägern bewältigen – dadurch müssen sie sofort neue Strategien entwickeln, um die Spielbahnen zu meistern. Viele meiner Schüler berichten von interessanten Erlebnissen und einige spielen Scores, die sie sich niemals zugetraut hätten. Viele berühmte Experten im kurzen Spiel kommen aus solchen Situationen, weil sie in der Kindheit nur ein paar Schläger zur Verfügung hatten, keinen ganzen Schlägersatz.

Kocher + Zwick: Marie beschreibt ein sehr schönes Szenario: Neue Aufgaben in einer bekannten und sicheren Umgebung zu lösen, ist ein sehr guter Trainingsansatz. Dabei geht es vor allem um das Durchlaufen von Entscheidungsprozessen. Es gilt, eine neue Aufgabe mit einem Repertoire an Bewegungsabläufen und mit nunmehr -reduzierten Hilfsmitteln zu lösen. Dabei wird entgegen dem Durchlaufen gleichbleibender Abläufe, nach dem Motto „Hier nehme ich immer das 6er-Eisen“, die Neu-Einschätzung der Situation verlangt. Nicht nur die räumliche Umgebung, sondern auch die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen dabei beurteilt werden, um zu einer neuen Entscheidung zu kommen. Der Spielraum für kreative Lösungen steigt natürlich mit der Schwierigkeit der Aufgabe. Wir wissen von der Gehirnforschung (Neurophysiologie), dass unser Gehirn praktisch nie aufhört zu lernen. Die Plastizität des Gehirns bleibt stets erhalten. Wenn auch die Geschwindigkeit des Lernens im Alter nachlässt, so ist es auch im hohen Alter möglich, selbst schwierigste neue Dinge zu erlernen.

 

Unser Tipp: Versuchen Sie immer wieder, kreativ Golf zu spielen – auf der Range und bei Proberunden. Das macht nicht nur Spaß, sondern führt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu einer Verbesserung Ihrer Spielstärke!

 

Dr. Robert Kocher (l.) ist Chirurg und Unfallchirurg sowie Verbandsarzt des ÖGV. Hcp 3,9.

Dr. Bernhard E. Zwick (r.) ist Orthopäde und Kinderorthopäde sowie Verbandsarzt des ÖGV und TPI Golf Medical Professional. Hcp 7,4.

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