Wien

Warum gleich, nicht gleich gleich ist

Die ÖGV Verbandsärzte Dr. Robert Kocher und Dr. Bernhard Zwick geben Ihnen Tipps, wie Sie sich auf Ihre ersten Golfrunden im neuen Jahr vorbereiten können und wie Sie sich die Neurowissenschaft zu Nutze machen können.

Von Dr. Robert Kocher und Dr. Bernhard Zwick

Wie jedes Jahr warten Golfsportler aller Alters- und Handicap-Klassen auch heuer auf den Frühling, der ihnen grüne Fairways und erfreuliche sportliche Erlebnisse bringen soll. Im Winter haben einige einen Urlaub in wärmeren Klimazonen zum Training genützt, oder haben sich durch gezieltes körperliches Training auf die neue Golfsaison vorbereitet.

Gute Vorsätze und eine gezielte Vorbereitung erzeugen eine positive Grundstimmung und viel Vorfreude auf die neue Golfsaison.

Wie auch immer, die ersten Erlebnisse auf der Driving-Range sind, nach anfänglicher Euphorie, häufig von Frustration und der Suche nach dem über den Winter „verlorenen“ Golfschwung geprägt. Je nach Einstellung kommt es dabei nicht selten zu körperlichen Überlastungen, die sich in einem Golfer-Ellbogen, Handgelenks-, Schulter- und Kreuzschmerzen in den ersten Tagen der neuen Golfsaison äußern. Statt Hunderte von Bällen zu schlagen, könnte man sich die Erkenntnisse des motorischen Lernens der letzten Jahrzehnte zu Nutze machen, um rascher seinen vermeintlich verlorenen Golfschwung wiederzufinden. Sportwissenschaftler und Mediziner haben diese Erkenntnisse bereits erfolgreich in ihre tägliche Arbeit integriert, um Sportlern oder Patienten Hilfe bei der Korrektur von Bewegungsabläufen bzw. beim Neuerlernen einer Bewegung zu helfen.

Neurowissenschaft

Keine Bewegung gleicht der anderen. Man kann sich das ganz einfach vorstellen. Sie fahren mit dem Auto auf der Autobahn (Datenhighway, trainierte Nervenbahn) von Wien nach Innsbruck und benützen immer das gleiche Auto (Muskeln) und den gleichen Weg (Nervenbahnen). Sie fahren aber immer unter anderen Bedingungen (Temperatur, Wetter, Tageszeit) und immer in einer anderen Geschwindigkeit (Überholen; Stau etc.). Auch der exakte Weg ist immer anders (Baustellen, Tanken, Spurwechsel, Umleitungen etc.), obwohl Sie die gleiche Strecke fahren. Genauso ist es bei der Muskulatur und im Nervensystem. Die Außentemperatur ist immer anders, Sie verwenden andere Muskelabschnitte vom gleichen Muskel und nehmen bei jeder Bewegung immer andere Nervenbahnen. Deshalb fühlt sich kein Schwung gleich an.

Wie könnte man sich nun „modern“ auf die ersten Golfrunden vorbereiten ohne sich in die durchaus komplexen Theorien und Erkenntnisse der Neuro-Wissenschaft einzuarbeiten?

Im Prinzip geht es darum sein Gehirn mit der Aufgabe zu befassen einen Golfschlag auszuführen. Im Golfsport sollte man dabei den Golfschlag mitsamt seiner Routine vor und nach dem Schwung als Einheit verstehen. Wie auch auf der Golfrunde gilt es, von der Vorbereitung bis zur Analyse des Ergebnisses einen regelmäßigen Ablauf zu gestalten und sein Gehirn wiederholt mit diesem Ablauf zu beschäftigen. Wenn sich dieses Vorgehen kurz überlegen werden Sie feststellen, dass es sich wesentlich von dem Ablauf des Bälleschlagens auf der Driving-Range unterscheidet.

Steht man also mit einem 7er Eisen auf einer Matte einer Driving-Range und schlägt so lange Bälle, bis man das Gefühl hat, den Golfschlag damit zu beherrschen, gibt man sich oft der Illusion des Lernens hin. Ohne die Situation zu verändern, die geplante Flugbahn zu variieren oder das Ziel stets neu zu definieren bleibt die Aufgabe über Dutzende von Bällen hinweg gleich. Wenn man also diese Aufgabe beherrscht, so heißt dies noch lange nicht, dass eine neue Aufgabe in Form des Schlages mit einem anderen Schläger genauso gut gelingen wird. Bei dieser Form des Trainings gehen wir meist recht mechanisch vor und beschäftigen unser Gehirn nur selten in der Form wie wir es auf der Golfrunde tun, wenn wir es mit ständig sich veränderten Situationen und Bedingungen zu tun haben.

Wenn man Profi-Golfsportler mit ihren Coaches beobachtet, kann man vielfach sehr moderne Abläufe im Training sehen. Hier werden ständig Ziele, Flugkurven, Schläger und Schlagarten variiert und es wird streng darauf geachtet jedem Ball einen entsprechenden Ablauf von der Schlagvorbereitung und Planung bis zur Analyse des Ergebnisses zu widmen. Nicht selten werden dabei in 40 min lediglich 30 Bälle geschlagen.

Ablauf

Planung, Durchführung, Beurteilung. Eine Parallele gibt es in der Medizin – Patienten und Physiotherapeuten nutzen moderne Methoden des Bewegungslernens.

Überträgt man dies auf die ersten Golfschläge von Amateuren auf der Driving-Range im Frühling, so würde sich folgendes Vorgehen anbieten:

Man startet unter der Aufsicht eines Golflehrers und wiederholt gemeinsam seinen individuellen Golfschwung. Dieser Trainingseinheit wird dem Ziel gewidmet eine ganz individuell richtige Bewegung ausführen zu können. Kann der Schüler einen individuell richtigen Schwung ausführen, kann dieser bereits das Trainingskonzept der ständigen Variation aufnehmen. Hier wird ein erfahrener Golflehrer mit modernen Methoden der Rückmeldung seine Schüler begleiten und diese ihre eigenen Erfahrungen machen lassen. Nach dem Start mit dem Golflehrer kann man nun sein Training selbst aufnehmen. Man sollte vorbereitet sein, dass das Training der ständigen Variation emotional durchaus anspruchsvoll sein kann, zumal man mit schlechten Ergebnissen umgehen muss, ohne sofort einen Schlag mehrmals zu wiederholen. Ein einfaches Spiel könnte sein, wie in einer Simulation seinen Heimatsplatz auf der Driving-Range zu spielen. Dem Abschlag mit dem Driver folgt je nach simuliertem Ergebnis der Schlag mit einem mittleren Eisen und danach, bei der Annahme eines verfehlten Grüns ein kurzer Pitch. Danach geht es zum zweiten Loch. Wichtig ist dabei stets den gesamten Ablauf von der Planung des Golfschlages bis zur Analyse des Ergebnisses konsequent durchzuführen. Als Vorbild sollte dabei das Vorgehen auf dem Golfplatz dienen.

„Kein Golfer wird jemals zwei exakt gleich Golfschwünge machen. Warum versuchen wir also genau dies zu erreichen, anstatt uns auf die Variabilität vorzubereiten und diese im Training zu praktizieren.“

Mit dieser Art des Trainings werden sie ihren Körper schonen, relativ wenige Bälle schlagen und trotzdem ihre Trainings Ziele erreichen. Zur Überprüfung, ob diese Form des Trainings für sie erfolgreich ist, sollten Sie sich nach den Ergebnissen auf den gespielten Golfrunden orientieren. Wer Spaß daran hat, kann sogar die traditionelle Methode des Trainings mit der hier vorgestellten Methode vergleichen indem man die Methoden wechselt und die Ergebnisse anhand der Scores auf den Runden beurteilt.

Neurowissenschaft

Lernen ist in jedem Alter möglich! In unserem Gehirn haben wir mehr als 100 Milliarden Nervenzellen, die jeweils bis zu 10000 Verbindungen mit anderen Nervenzellen eingehen können. Die Ausbildung und Stärkung solcher Verbindungen sind für das Lernen von entscheidender Bedeutung. Rein rechnerisch haben wir 101.000.000 Möglichkeiten eine Verbindung zwischen zwei Nervenzellen einzugehen. Lernen wir also eine neue Bewegung so kann man sich vereinfacht vorstellen, dass sich neue Pfade von Nervenverbindungen im Gehirn ausbilden. Mit zunehmendem Training werden diese Pfade stabilisiert und in der Übertragung schneller gemacht. Die neue Bewegung wird zunächst im Kurz- und schließlich im Langzeitgedächtnis gespeichert und endgültig eventuell unbewusst abrufbar gemacht.

Zusammenfassung
  • Das Trainieren mit ständig neuen Zielen ist emotional anstrengend aber höchst effektiv
  • Weniger Belastung für die Gelenke mehr Effizienz für das Nervensystem
  • Kommt dem eigentlichen Golf sehr nahe (kein Schlag gleicht dem Anderen)