Mi, 18. März 2020 Wien

Das Streben nach Gesundheit – Teil 2

Im ersten Beitrag der neuen mehrteiligen Gesundheit-Reihe haben sich die ÖGV Verbandsärzte Dr. Robert Kocher und Dr. Bernhard Zwick mit den vier Pfeilern der Salutogenese beschäftigt. Im ihrem zweiten Beitrag wird das Thema Schlaf im Zusammenhang mit Gesundheit näher beleuchtet.

Von Dr. Robert Kocher und Dr. Bernhard Zwick

In der mehrteiligen sportmedizinischen Beitragsserie des ÖGV zum Thema Salutogenese, der Lehre von der Gesundheit, beschäftigt sich dieser Beitrag mit Gedanken und den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema Schlaf und Regeneration. Dieser Beitrag ist eine wissenschaftliche Einführung zum Thema Schlaf.

Wir haben Dr. Peter Hauschild gebeten uns bei diesem Beitrag zu unterstützen. Dr. Peter Hauschild forscht und arbeitet auf der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien und ist seit mehr als 30 Jahren ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Chrono Medizin/Biologie. Diese Medizin beschäftigt sich mit den Auswirkungen von zeitlichen Abläufen auf die Gesundheit des Menschen.

Die Bedeutung der Regeneration im Golfsport

Golf ist aus physiologischer und technischer Sicht, eine der komplexesten Sportarten auf diesem Planeten. Um eine gute, individuelle Leistung in diesem Sport zu erzielen, sind viele unterschiedliche Faktoren von Bedeutung. Ob Technik, Taktik, Material, Psyche, körperliche Fitness oder Ernährung, all diese Bausteine werden benötigt, um seine Leistung in diesem Sport abrufen zu können. Einige Faktoren, die auf den ersten Blick wenig mit dem Sport zu tun haben, finden oft wenig bis gar keine Beachtung.

Die regenerativen Maßnahmen nach einer Runde oder Trainingseinheit, kommen erfahrungsgemäß bei den meisten GolferInnen zu kurz. Bei einer so komplexen Sportart wie Golf ist aber neben der körperlichen Fitness, auch die emotionale und geistige Fitness wichtig.

Um sein Gehirn optimal nützen zu können muss dieses völlig regeneriert sein. Die Grundlage für die Erholungsfähigkeit des Gehirns und des autonomen Nervensystems liegt im Schlaf. Wir verbringen notwendiger Weise rund 1/3 des Tages, also rund 8 Stunden mit Schlaf. Warum hat die Natur Schlaf vorgesehen?

Der Schlaf hat viele natürliche Aufgaben für den Menschen.

Eine wichtige Aufgabe ist der Stoffwechsel und Energieaufbau

Die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien, arbeiten im Schlaf unentwegt weiter. Bei reduziertem Energieverbrauch können Kraftreserven, Aminosäuren, Botenstoffe, Hormone etc. wieder erneuert und aufgebaut werden.

Eine weiter wichtige Aufgabe ist die Zellreinigung und Entgiftung

In Phasen, in denen es über Stunden zu keiner Nahrungsaufnahme kommt, kann die Zelle sich selbst reinigen. Dieser Vorgang wird in der Medizin als Autophagie bezeichnet. Was für die Funktion des Gehirns aber besonders wichtig ist, ist das im Schlaf auch das Bindegewebe im Gehirn gereinigt wird. Die abgebauten Schadstoffe werden schlussendlich über Harn, Leber-Darm und Schweiß aus dem Körper ausgeschieden.

Werden diese zwei wichtigen Faktoren nicht im Schlaf erfüllt kommt es mittelfristig zu Leistungseinbußen.

Rhythmus

Nicht nur im Golfschwung ist der Schwungrhythmus entscheidend, auch der Schlaf unterliegt einem biologischen Rhythmus.

Die rhythmischen Systeme des Menschen

Biologische Rhythmen sind ein Kennzeichen des Lebendigen. Sie finden sich in sämtlichen Bereichen des menschlichen Organismus. Häufig ist sich der Mensch seiner rhythmischen Prozesse nicht bewusst, wenn sie – wie etwa die Nervenaktionen – nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Hingegen kennt jeder die Beklemmung bei unregelmäßigem Herzschlag; ebenso die befreiende Wirkung einer ruhigen, tiefen Atmung. Das rhythmische System des menschlichen Organismus unterliegt lang-, mittel- und kurzwelligen Rhythmen:

  • Langwellige Rhythmentreten u. a. in Form des Circadian Rhythmus (d. h. Tagesrhythmus) auf. Sie finden sich überwiegend im Stoffwechsel, in der zellulären Entgiftung und im Aufbau von Stoff- und Energiespeichern. Weitere Beispiele für circadiane Rhythmen sind der zeitliche Verlauf von Blutdruck und Körpertemperatur. Viele langzyklische Vorgänge, laufen unbewusst ab.
  • Mittelwellige Rhythmen, deren Zyklen Minuten oder Stunden dauern, betreffen vornehmlich die Herzfunktion und die Atmung, aber auch die Verdauung, den Transport und die Verteilung der Nahrungsstoffe im Körper sowie die Hormonfreisetzung und die Gewebeerholung. Darüber hinaus werden die Aktivitäten des Nervensystems sowie die perzeptiven und kognitiven Leistungen durch einen ultradianen Ruhe-Aktivitätszyklus, den Basic Rest Activity Cycle (BRAC), moduliert.
  • Kurzwellige Rhythmen haben eine Periodendauer von Millisekunden bis Sekunden. Sie sind die Grundlage des Nerven-Sinnessystems sowie der Wahrnehmungs- und Denktätigkeit.

Beispiel für Beeinflussung des körperlichen Rhythmus:

Die geniale Erfindung des elektrischen Lichtes, hat den biologischen Rhythmus des Menschen in den letzten Jahrzehnten stark beeinflusst. Durch diese Erfindung wurde der Schlafrhythmus deutlich verändert und nach hinten verschoben. Das ist nicht immer zum Vorteil für die Golfer Innen.

Der Zeitrhythmus als Voraussetzung für Gesundheit und gutes Golf

Die biologischen Rhythmen stabilisieren die Funktion des Organismus und unterstützen ihn bei Regeneration nach Belastung und Gesundung. Hierzu werden die Frequenzen sämtlicher Rhythmen, die in komplexer Weise miteinander verschränkt sind, aufeinander abgestimmt. Diese Synchronisierung erfolgt im entspannten Zustand des Organismus, bevorzugt während des Schlafes. Schlaf = Körpersynchronisierung

Sind die biologischen Rhythmen gestört, so fehlt dem Organismus die Fähigkeit zur Regeneration. Gute Leistungen sind in der Arbeit und am Golfplatz kaum mehr möglich.

Die Ausgewogenheit von Aktivität und Entspannung zeigt sich besonders deutlich an der Schlafarchitektur. Beim Schlaf des gesunden Menschen gibt es eine klare Abfolge zwischen längeren, tief entspannten Ruhigschlafphasen sowie den Traum- und REM-(Rapid Eye Movement-) Phasen, in denen ein chaotischer Zustand dominiert. Wird der Organismus unangemessen beansprucht, so führt dies zur Störung dieser Abfolge.

Abbildung 1 zeigt eine gute Regeneration während des Schlafs. Der grüne Bereich (Aktivität des Parasympathicus) ist ausreichend lange.

Der Sportler schläft gleich lange, der Parasympathicus ist nicht aktiv. Die Folge sind Leistungseinbußen bis hin zum Erschöpfung.

Endogene und exogene Zeitgeber

Die biologischen Rhythmen des Organismus werden durch eine innere Uhr gesteuert. Endogene Zeitgeber sorgen für eine 25-Stunden-Periodizität der inneren Uhr. Je nach Ausprägung der inneren Uhr werden die Menschen in Chronotypen unterschieden:

  • Die „Eulen“ gehen bevorzugt spät zu Bett und haben Schwierigkeiten, morgens früh aufzustehen.
  • Die „Lerchen“ sind früh morgens aktiv, gehen jedoch früher am Abend zu Bett.

Darüber hinaus wird die innere Uhr durch exogene Zeitgeber der natürlichen Umwelt auf eine Periodenlänge von 24 Stunden synchronisiert. Zu den wichtigsten exogenen Zeitgebern gehören neben dem Licht die sozialen Kontakte, die Aktivitätsphasen (Startzeiten) und der Zeitpunkt der Mahlzeiten.

Rhythmus und Leistung

Im circadianen Verlauf unterscheidet man eine ergotrope, leistungsorientierte Phase, die meist von 3 bis 15 Uhr mit Höhepunkt am Vormittag reicht, von einer trophotropen Phase (15 bis 3 Uhr). Hier dominieren Aufbau- und Regenerationsvorgänge. Zwischen 3 und 4 Uhr befindet sich der Organismus in einem absoluten Leistungstief (vgl. Abb. 1). Die innere Uhr sorgt dafür, dass der Mensch zur Nachtzeit (üblicherweise) nicht aktiv ist, sondern den Schlaf für Regenerationsvorgänge nutzt. Ein weiterer relativer Leistungsabfall ist gegen 15 Uhr zu verzeichnen (sog. Nachmittagstief).

Schema der physiologischen Leistungsbereitschaft im Tagesverlauf (nach Hildebrandt et. al. 1998)

 

Darüber hinaus werden der tageszeitliche Verlauf der perzeptiven und kognitiven Leistungen bzw. die entsprechenden Verhaltensweisen durch den Basic Rest Activity Cycle (BRAC) beeinflusst.

Während einer Zeitspanne von etwa 90 Minuten aktiviert der BRAC den Organismus für jeweils etwa 70 Minuten. In dieser Aktivitätsphase fällt es leicht, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und konzentriert an einer Aufgabe zu arbeiten. Anschließend folgen etwa 20 Minuten eines passiven, rezeptiven Zustands. Hier dominieren intuitive und kreative Hirnleistungen. In der passiven Phase werden Anspannungen abgebaut, die Rhythmen neu organisiert, Desynchronisationen ausgeglichen und Ressourcen regeneriert. Dies schafft günstigste Voraussetzungen für die Entfaltung latenter geistiger Fähigkeiten. Empirische Untersuchungen belegen, dass bei regelmäßig entspanntem Organismus die Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten und zu behalten, signifikant ansteigt. Diese Information ist für Golfer nicht unwesentlich. Entspannungsübungen helfen!

Im Alltag werden die scheinbaren Tiefs der passiven BRAC-Phasen zumeist ignoriert oder durch Koffeingenuss „überlistet“. Regelmäßige Essens- und Schlafenszeiten werden häufig vermeintlich Wichtigerem geopfert. Während der arbeitende Mensch dadurch Leistungskraft demonstrieren will, erreicht er genau das Gegenteil, indem er die leistungserhaltende Regeneration des Organismus behindert. Zudem verliert der Organismus allmählich die Fähigkeit, von selbst in seine rhythmische Ordnung zurückzufinden.

Es ist unmöglich, während eines ganzen Tages dauerhaft körperliche und geistige Hochleistungen zu erbringen. Wirksamer als eine derartige Non-Stop-Aktivität ist es, die zeitlichen Leistungstiefs innerhalb der biologischen Rhythmik zu respektieren und die Hochphasen für umso bessere Leistungen zu nutzen.

Wir danken Dr. Peter Hauschild sehr herzlich für die fachlichen Informationen zu diesem Beitrag.

Im nächsten Beitrag wird Teil 2 zum Thema Schlaf und Golf folgen.