Wenn der Charakter zum größten Handicap wird

Im Golf spielt der Charakter eine große Rolle. Österreichs Nationalteam Mental Coach Shirin Hornecker zeigt die klassischen Charaktere im Golf, deren Probleme und mögliche Lösungsansätze auf.

Von Shirin Hornecker

In meinen vielen Jahren im Coaching konnte ich immer wieder gewisse wiederkehrende Themen bei meinen Schülern erkennen. Die 4 nachstehenden Charaktere sind natürlich nicht allein repräsentativ für alle Golfer und ihre Herausforderungen, denen jeder einzelne am Golfplatz begegnet. Es spiegelt jedoch die Hauptthemen und ein paar Lösungsansätze wieder ohne, dass wir uns zu sehr in Details verlieren.

Die Charaktere sind natürlich in männlichen als auch weiblichen Golferkreisen zu finden – hier vereinfacht immer in der männlichen Form dargestellt.

Der Zeitreisende

Charakterzüge: Er ist perfekt im überspringen imaginativer Zeitzonen. Er ärgert sich zum Beispiel über den 3 Putt am vor-vor-vorletzten Loch oder formuliert (wenn er gut liegt) die Siegesrede bereits nach der Halfway-Station. Er kann mit seinen Gedanken sehr gut von der Vergangenheit in die Zukunft springen und vice versa – in der Gegenwart befindet sich so ein Spieler selten.

Das Problem bei der Sache: Wir Menschen sind sehr gut bei dieser Aktivität des ständigen Gedankenkreisens. Nur ist das fatal für ein stabiles Golfspiel – primär geht der Fokus von unserem idealen Leistungszustand verloren, wir verlieren viel Energie dadurch und können unser Potential nicht vollkommen ausschöpfen. Wir vergessen die wichtigste Sache in diesem Moment der Gegenwart: der Ball direkt vor uns, der geputtet oder geschlagen werden muss. So wie es Ben Hogan schon sagte: „Der wichtigste Schlag ist der immer nächste.“

Coachingansätze/Tipps: Zwischen den Schlägen (man kann das auch die In-between Routine nennen) ist es wichtig in einem guten Zustand zu sein. Auf dem Weg zum nächsten Ball möchten Sie sich eine optimale Voraussetzung schaffen. Gedanken die Emotionen wie Ärger, Wut oder Angst verursachen, sind oft nicht eine gute Basis für diesen optimalen Leistungszustand.

Eine Pre-Shot Routine ist hier ein wichtiger Anker, um sich für den bevorstehenden Schlag wieder in die Gegenwart zu holen. Nach dem Schlag dient eine gute Post Shot Routine dazu, mit einem guten Feedback-System diesen gut abzuschließen. Darüber hinaus können Sie auch zwischen den Schlägen mit einer kleinen Übung sich besser in die Gegenwart holen und somit ihrem Kopf vor dem Gedanken-Karussell etwas Ruhe und eine Pause schenken.

Elevator time machine going to the future

Übung:

5 Dinge Übung: Über die Sinne können wir uns sehr gut in die Gegenwart verankern. Über 5 Dinge die Sie sehen, 5 Dinge, die Sie hören und 5 Dinge die Sie fühlen bei ihrem Gang zum nächsten Ball haben Sie für einen Moment Ruhe und landen bei Ihrer Zeitreise in die Gegenwart. In dem Moment wo sie den Baum z.B. in seiner vollen Pracht und all seinen Grüntönen bewundern, den Vögeln beim Gesang lauschen oder spüren wie Ihre Füße das Fairway entlangstreifen und die Unebenheiten wahrnehmen, verankern sie sich wunderbar in die Gegenwart.

Stichwort: Wichtigkeit der Balance von Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft

Das Nerverl

Charakterzüge: Je nach Auswirkung und Stärke, beginnt das Zittern und bangen am ersten Abschlag im Turnier, bei kurzen Putts oder am 18. Loch, wenn auf der Terrasse Zuschauer sich ansammeln. Bei manchen beginnt ein flauer Magen in der Früh oder sogar der unruhige Schlaf mischt sich dazu.

Das Problem bei der Sache: Vorerst gehört erwähnt, dass Nervosität per se nichts Schlimmes ist. Wenn wir Nervosität erleben, ist es ein tolles Zeichen, das unser Körper aktiviert wird und wir uns bereit machen für den Wettkampf. In diesem Zustand werden unsere Sinne schärfer und unser Körper generell leistungsfähiger. Fatal ist es jedoch, wenn Nervosität oder Aktivierung in eine Angst (z.B. vor Blamage oder Versagen) mündet. Dann führt diese Emotion u.a. zu Muskelverspannungen, die wiederum u.a. eine gute Bewegung zerstören. Das kann oft bei kurzen Putts beobachtet werden.

Coachingansätze/Tipps:

Zum einen ist zu klären woher diese Ängste kommen damit der Schüler im Keim die Ursache erstickt. Im Weiteren ist es sehr wichtig sich immer wieder weg vom Ergebnis zu begeben. Viele Spieler haben unmittelbar den Score und das Ergebnis als primäres Ziel vor Augen. Es geht vielen um das „richtig machen wollen“. Wir haben den Score jedoch nicht direkt in der Hand. Wenn wir uns alleine nur auf Dinge konzentrieren, die wir nicht steuern können, erzeugen wir in uns einen enormen Druck und manchmal auch Angst –u.a. verkrampft dadurch unser Körpertonus, das wiederum unsere freie Bewegung zerstört. Allerdings können wir uns mit dem Fokus auf Dinge, die wir direkt beeinflussen können eine sehr gute Voraussetzung auf ein bestmögliches Ergebnis schenken. Dinge, die wir z.B. in der Hand haben sind: eine unter Druck bestehende und wirksame Pre-Shot Routine, aufrechte Körperhaltung oder der Fokus auf die Atmung.

Übung:

Erstellen Sie eine Liste von Dingen, die Sie direkt in der Hand haben. Sie werden erstaunt sein, wie viele das sind – viele von diesen Dinge vernachlässigen wir oft, durch den zu verkrampften Blick auf den Score und das Endresultat.

Stichwort: Fokus auf die kontrollierbaren Dinge (am Golfplatz und im Leben)

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Der Storyteller („Gschichtldrucker“)

Charakterzüge:  Er erzählt gerne im Clubhaus im Anschluss an die Runde wie viel Pech er hatte und das ganz oft natürlich nur beim Putten. Oft merkt er nicht, dass seine Geschichten rein dazu dienen, sein Gesicht zu wahren, gut dazustehen oder einfach gute Ausreden zu finden.

Das Problem bei der Sache: Ausreden suchen und finden helfen uns nicht für das nächste Turnier und direkt am Platz nicht für den nächsten Schlag oder Putt. Wir ziehen nicht nur uns, sondern auch unser Umfeld durch Jammerei und negativen Geschichten runter. Oft führt es dazu, dass man solche Mitspieler nicht gerne in seinem Flight hat.

Coachingansätze/Tipps: Sich selber ein richtiges Feedback zu geben ist im Anschluss einer Runde wichtig, damit Sie wissen an was Sie arbeiten können um wieder Selbstvertrauen zu entwickeln und langfristig Spaß am Golf behalten. Das ist auch ein Teil der Post-Shot Routine: zu lernen und zu erkennen was gut funktioniert und was zu verbessern ist. Je mehr Sie lernen zu erkennen was funktioniert, wenn Sie gute Runden spielen, gute Putts machen oder gute Schläge schlagen und umgekehrt, wenn Sie erkennen was passiert wenn es nicht gut läuft – dann sind Sie am Weg zu erkennen, was für Sie individuell funktioniert. Wenn Sie für diesen neutralen Filter nicht bereit sind, werden Sie sich immer wieder in die selben Muster begeben und mit der Zeit einen großen Frust entwickeln und Ihren Spaß bei der Runde verlieren.

Übung: Schreiben Sie nach der Runde auf:

Gut: Was hat heute gut funktioniert?

Besser: Was kann ich noch verbessern?

Wie: Wie kann ich dies verbessern? (wenn Sie nicht die Antwort wissen – fragen Sie am besten Ihren Pro.

Stichwort: Post-Shot Routine & Feedback zum lernen und wachsen

Die Explosionsbombe

Charakterzüge: Hier gibt es verschiedene Ausprägungen. Von Schläger-Weitwurftechniken bis zum laute verbale Äußerungen oder Beschimpfungen an sich (oder den Ball). Die Bombe kann jederzeit in die Luft gehen und der Faden ist manchmal dünn bis zur nächsten Detonation.

Das Problem bei der Sache: Emotionen (wie Ärger oder Wut) ändern physisch unseren Zustand. Dieser stressartige Zustand lässt unsere Muskeln verkrampfen und verspannen. Mit so einem Tonus gelingt kaum ein guter Putt oder freier Schwung.

Coachingansätze/Tipps: In dem Moment wo das Missgeschick erfolgt ist, kann ich es nicht mehr rückgängig machen. Damit ich jedoch die Misere nicht fortführe und zumindest bei dem nächsten Ball wieder komplett in meinem idealen State bin trage ich die Verantwortung nicht komplett in ein Rumpelstilzchen zu transformieren sondern meine Emotionen gut zu lenken.

Übung:

Ärger und Wut erkennen und annehmen: 1. Mit einem freundlichen inneren „Aha…jetzt ärgere ich mich“ und dann die Emotion auf die körperliche Ebene zu bringen („Ich spüre warme Wangen, Druck auf der Brust o.ä.) neutralisieren Sie die Emotion und werde handlungsfähig. In der Emotion gefangen, werden Sie sehr wahrscheinlich fatale Entscheidungen treffen oder sich auf eine andere Weise einbohren.

Weitere Werkzeuge die hier gut helfen, um dann vor allem wieder für den nächsten Schlag sich in einen optimalen Zustand zu bringen wäre eine aufrechte Körperhaltung, der Fokus auf eine tiefe Bauch-Atmung – das beste kombiniert mit einer erarbeiteten Post-Shot Routine, die Ihnen hilft von dem Schlag zu lernen, ihn abzuschließen und mit Selbstvertrauen zum nächsten Schlag zu schreiten.

Stichwort: Annehmen mit einem „Aha“, Post-Shot Routine – vom Schlag lernen, weiter geht’s.

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