Mi, 10. August 2016
Fitnesstraining im Golfsport
"Das ist doch kein Sport." Mit diesem Vorurteil haben Golfer seit Jahren zu kämpfen. Doch die Weltrangliste wird heutzutage mehrheitlich von Top-Athleten dominiert: Day, Spieth, Fowler, Scott, und McIlroy sind austrainierte Sportler, zu deren täglicher Routine die körperliche Betätigung im Fitnessstudio zählt.
Kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro, treffen wir Trainingswissenschaftler und Athletiktrainer Roland Luchner zum Interview im Olympia Zentrum Innsbruck.
Du betreust nicht nur die Olympiateilnehmerin Christine Wolf, sondern auch andere Athleten aus den verschiedensten Sportarten. Über die letzten Jahre hinweg hat der Fitnessaspekt vor allem im Golf einen völlig neuen Stellenwert erfahren, konntest du das auch beobachten und ist Fitness im Golf genauso wichtig wie in anderen Sportarten?
Das ist richtig. Neben der Betreuung unserer Golfer im Olympiazentrum in Innsbruck, hier allen voran Christine Wolf, arbeite ich schon seit einigen Jahren sehr eng mit dem Tiroler Golfverband zusammen und decke den Athletikbereich unserer Kaderspieler ab. Hier stimmt mich vor allem die Entwicklung der jungen Athleten glücklich. Sie haben gezeigt, was durch harte und konsequente Arbeit auch im Athletikbereich machbar ist. Neben dem Golfsport bin ich bei uns im Olympia Zentrum für Ski Alpin, Ski Cross, Skispringen und Sportschießen zuständig und arbeite mit vielen Nachwuchs-, Europacup- und Weltcupfahrern, mit dem Ski Cross Olympiateilnehmer Thomas Zangerl oder Gregor Schlierenzauer.
Ich denke, vor allem zum Skispringen lassen sich Parallelen ziehen. Beide Sportarten sind sehr feinfühlig und fordern in der Trainingsplanung enormes Fingerspitzengefühl. Hier ist es entscheidend, den Mittelweg zwischen einem trainingswirksamen Reiz und einem zu starken Eingreifen in ein bestehendes System zu finden. Der Bedeutungsgewinn von Fitness und Athletik im Golfsport in den letzten Jahren ist wirklich deutlich zu sehen. Hier ist natürlich allen voran Tiger Woods zu erwähnen, der seit Beginn der 2000er-Jahre den vielen jungen Golfern die Kombination aus Golf und Athletik vorlebt. Und die neue Generation der Weltklasse Golfer um Rory Mcllroy, Dustin Johnson und Camilio Villegas führen diese Entwicklung konsequent weiter. Aber nicht nur unter den jungen Spielern ist diese veränderte Anschauung zu beobachten. Auch alteingesessene Spieler wie Phil Mickelson arbeiten konsequent an ihrer Fitness, um den Anschluss an die jungen Athleten nicht zu verlieren.
Die Golfsaison ist schon voll im Gange, wie sind deine Trainingspläne während der doch langen Turnierphasen aufgebaut?
Der Trainingsplan während der Golfsaison hängt stark davon ab, was in der Golfpause im Winter passiert. Ist es gelungen, eine gute Belastungsverträglichkeit aufzubauen, kann auch während der In-Season sehr intensiv im Athletikbereich gearbeitet werden. Hier stehen dann vor allem Stabilität, Kraft und Schnellkraft im Vordergrund. Hat es während der Off-Season nicht die Möglichkeit gegeben, sich intensiv auf die neue Saison vorzubereiten, dann muss man während der laufenden Saison etwas vorsichtiger an die Sache herangehen. Da der Golfsport eine äußerst sensible Sportart ist, bei der schon kleinste Spannungsänderungen im Körper große Auswirkungen haben können, muss man sich in diesem Fall sehr vorsichtig herantasten.
Was sind die Bestandteile deines Trainings?
Ich denke die Aufgabe eines Athletiktrainers besteht grundsätzlich aus zwei großen Bereichen. Zum einen muss es das oberste Ziel sein, die Athleten gesund zu halten. Nur im gesunden Zustand können sie ihr volles Leistungspotenzial abrufen und gutes Golf spielen. Hierfür wird sehr viel im Bereich der Rumpfstabilisation und Rumpfkraft gearbeitet. Vor allem nach dem Impact im Durchschwung ist der Körper sehr anfällig für Verletzungen, denn während dieser Phase muss er die im Abschwung aufgebaute Schlägerkopfgeschwindigkeit wieder abbremsen. Fehlt es hier an der entsprechenden Stabilität im Bereich des Rumpfes, kann es schnell zu Problemen im Bewegungsapparat kommen. Zum anderen ist es natürlich das Ziel des Athletiktrainers, den Spieler besser zu machen. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Kraft eines Golfers und der Schlägerkopfgeschwindigkeit nachweisen. Eine erhöhte Schlägerkopfgeschwindigkeit steht wiederum in direktem Zusammenhang mit der Schlagweite des Balles und das Ziel eines jeden Golfers ist es, den Ball so gerade und so weit wie möglich zu schlagen. Zudem zeigt die Literatur einen hohen Zusammenhang zwischen der Schlägerkopfgeschwindigkeit und dem Handicap.
Wieviel Wert wird im Golf auf Krafttraining und Grundlagenausdauer gelegt?
Wie eben angesprochen spielt Kraft im Golf eine zentrale Rolle. Je kräftiger jemand ist, umso mehr Schlägerkopfgeschwindigkeit kann er generieren. Je mehr Schlägerkopfgeschwindigkeit man erzielt, umso weiter kann man den Ball schlagen. Umso weiter der Ball fliegt, umso kürzer ist der Schlag in das Grün. Umso kürzer der Schlag in das Grün erfolgt, umso einfacher ist es, den Ball nahe an die Fahne zu bekommen. Auch das Thema Ausdauer ist nicht zu unterschätzen. Immerhin geht man auf einer durchschnittlichen Golfrunde 7-9 Kilometer und muss sich ca. 65 – 85 Mal auf den Punkt genau konzentrieren. Fehlt es hier an der entsprechenden Ausdauer, wird das Konzentrationslevel früher oder später sinken und das wird sich unweigerlich auf der Scorekarte widerspiegeln. Ausdauertraining ist aber nicht gleich Ausdauertraining. Ich lasse meine Athletinnen und Athleten nur sehr wenig im Bereich der Grundlagenausdauer und der Dauermethode trainieren, da es sich muskelphysiologisch und zentralnervös mit den Anforderungen eines Golfschwungs nicht vereinbaren lässt, große Umfänge mit geringem Widerstand und langsamem Bewegungstempo zu trainieren. Hier ist es eher zu empfehlen, mit Intervallen, Fahrtspielen und Tempoläufen zu arbeiten.
Was sind die speziellen Anforderungen an einen Golfer?
Wie schon erwähnt, ist das Anforderungsprofil im Golf sehr breit gefächert. Neben den Bereichen Kraft und Ausdauer ist die Beweglichkeit ein entscheidender Faktor: Hier vor allem im Bereich der Hüfte und der Brustwirbelsäule. Kommt es hier zu Einschränkungen, sind Probleme im unteren Rücken die natürliche Konsequenz. Wenn man sich unter den Top-Spielern der Welt umschaut, ist hier vor allem Rory Mcllroy zu erwähnen, der mit seiner Beweglichkeit in Hüfte und Brustwirbelsäule beeindruckt. Er ist das beste Beispiel dafür, dass sich Kraft und Beweglichkeit nicht ausschließen; sofern die Inhalte gut geplant und aufeinander abgestimmt sind.
Wird während Golfwettkämpfen auch an der körperlichen Fitness gearbeitet?
Das ist ganz verschieden. Grundsätzlich sollte regelmäßig an der körperlichen Fitness gearbeitet werden. Zum einen um entsprechend besser zu werden, zum anderen um die Belastungsverträglichkeit hoch zu halten, um keine negativen Auswirkungen auf den Schwung zu provozieren. Hierzu ist nochmals zu unterscheiden, auf welchem Level sich der Spieler befindet. Profis, die wochenlang unterwegs sind, ohne dazwischen nach Hause zu kommen, sind natürlich noch mehr darauf angewiesen, auch auf Turnieren im Fitnessbereich zu arbeiten. Sollte man mal einen Cut verpassen, ist dies eine super Möglichkeit, entsprechende Athletikeinheiten einzustreuen.
Was würdest du dem Durchschnittsgolfer in Sachen Fitness und Ausgleichssport raten?
Ich denke hier ist kein großer Unterschied zu den Profis. Ein gewisses Maß an Stabilität im Rumpf ist unumgänglich, um auch im Alter noch Spaß am Spiel zu haben. Und wenn man den Ball plötzlich 10 Meter weiter schlagen kann als vorher, sollte das Motivation genug sein, um sich etwas der eigenen Fitness zu widmen.
Stichwort Olympia! Du arbeitest ja seit einigen Monaten mit unserer Olympiateilnehmerin Christine Wolf zusammen. Wie sieht eure Road to Rio aus?
Ja das stimmt. Anfang des Jahres traf ich mich mit Christine und ihrem Schwung-Coach Steve Waltman. Hier haben wir die Zusammenarbeit beschlossen, seitdem ist Christine regelmäßig bei uns im Olympiazentrum, um an ihrer Fitness zu arbeiten. Inhaltlich haben wir es so geplant, dass wir uns kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele gesetzt haben. Da wir die Zusammenarbeit erst begonnen haben und mit den Olympischen Spielen in Rio eines ihrer absoluten Saison-Highlights vor der Tür steht, ist momentan nicht der richtige Zeitpunkt, um Experimente zu wagen. Von daher sind wir aktuell eher damit beschäftigt, an Beweglichkeitsdefiziten zu arbeiten, um sie auch zukünftig von Verletzungen und Überlastungen zu verschonen. Krafttraining im klassischen Sinne mit traditionellen Hebetechniken wie Kniebeugen oder Kreuzheben werden wir erst mittelfristig einbauen, wenn es im Winter wieder in die Off-Season geht. Langfristig habe ich mit ihrem Coach Steve Waltman ein paar Dinge besprochen, die er für nötig empfindet, um ihren Schwung konstant weiter zu entwickeln.