Krabbeln zum Erfolg

Von Fred Jendelid, ÖGV-Nationaltrainer

Psychologisch betrachtet ist Kreativität nichts anderes als die Fähigkeit, die rechte Gehirnhälfte zu aktivieren. Um das zu trainieren, lasse ich unsere Nationalteamspieler auf dem Boden herumkrabbeln. Diese Übung wird auch Ihre Kreativität
fördern – nicht nur beim Golfspiel!

Das menschliche Gehirn hat zwei Hälften. Auf der linken Seite sind logisches Verständnis, mathematisches und detailliertes Denken zu Hause, in der rechten Hälfte schlummern Artistik, Kreativität und Rhythmus. Nur wer eine Verbindung zwischen diesen beiden Gehirnhälften schafft, ist in der Lage, einen Golfschlag gesamtheitlich vorzubereiten. Nehmen wir einen Putt: Die linke Gehirnhälfte sagt, welche Linie der Ball nehmen muss, damit er ins Loch geht. Die rechte Gehirnhälfte ist für den Rhythmus und damit die Distanz des Putts zuständig. Nur wenn die Infos beider Seiten umgesetzt werden, kann der Ball auch ins Loch gehen.

Kreativität am Platz

Wenn ich mit dem Nationalteam trainiere, dann machen wir unterschiedlichste Übungen zur Förderung unserer mentalen Fähigkeiten. Da lasse ich Rechtshänder mit links spielen, oder es werden Suppenlöffel und Zahnbürste in die schwächere Hand genommen. Auch Quiz-Einheiten, die Spaß machen und die rechte Gehirnhälfte aktivieren, stehen auf dem Programm. Und eine der wichtigsten Übungen ist vielleicht auch die Komischste: Ich lasse meine Schüler auf dem Boden herumkrabbeln – und zwar ganz langsam. Das klingt sonderbar, aber sogar European-Tour-Spieler haben sich darauf eingelassen und damit Erfolg gehabt. Das Gesäß sollte dabei fast über den Fersen sein, die Hände stützt man knapp vor den Knien auf, und dann krabbelt man los … aber ganz langsam. Sie werden sehen: Das aktiviert beide Gehirnhälften und die Nervenbahnen dazwischen. Sie müssen es ja nicht am ersten Tee oder im Clubhaus machen.

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Selbst ist der Mann: Fred Jendelid

Der Hintergrund dieser Übung: Ob ein Mensch eine schnelle oder langsame Verbindung zwischen seinen beiden Gehirnhälften hat, das entscheidet sich in der frühesten Kindheit. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist der Schädelknochen noch nicht zugewachsen. Erst mit der Zeit schließt sich die sogenannte Fontanelle. Und genau die Zeit bis dahin ist entscheidend. Viele Eltern sind stolz darauf, wenn ihre Babys früh mit dem Gehen beginnen, und manche Eltern forcieren das geradezu. Aber das ist falsch. Lassen Sie Ihr Kind krabbeln, solange es möchte. Studien haben ergeben, dass Kinder mehrheitlich Problememit dem Lesen und Schreiben haben, wenn sie schon früh mit dem Gehen begonnen haben.

In der westlichen Welt haben wir aber noch ein anderes Problem: In der Schule dominieren Unterrichtsfächer und -methoden, die fast ausschließlich die linke Gehirnhälfte stimulieren. Mathematik, Geschichte oder Physik fördern nicht gerade die Kreativität. Auch Prüfungen sind nicht der Inbegriff des Kreativen – vom Bewertungssystem nach Schulnoten ganz zu schweigen. Sogar zur Feststellung des Intelligenzquotienten kommen fast ausschließlich Fragen vor, die den Einsatz der linken Gehirnhälfte forcieren. Es wäre für ein ausgewogeneres Training beider Gehirnhälften viel besser, Unterrichtsfächer wie Handarbeit, Werken oder Turnen auszubauen.

Aber kommen wir zurück auf den Golfplatz. Oft lege ich zehn Bälle auf dieselbe Stelle. Dann müssen unsere Spieler mit zehn verschiedenen Schlägern diesen Ball schlagen. Sie chippen mit dem 3er-Eisen oder putten vom Vorgrün mit dem Driver. Dadurch sehen sie, dass es für jeden Schlag mehrere Möglichkeiten gibt. Das hilft ihnen auf dem Platz, eine schwierige Situation zu meistern, weil sie vom Training wissen, dass es immer mehr Möglichkeiten für einen Schlag gibt. Und das verstehe ich unter Kreativität auf der Golfrunde!

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HIRN-HÄLFTEN-TEST

Können Ihre beiden Hirnhälften gut miteinander? 

Finden Sie es heraus!

Mit einfachen Übungen können Sie herausfinden, ob Ihre beiden Gehirnhälften gut miteinander kommunizieren. Und Sie können deren Zusammenarbeit auch im Alter noch verbessern: Setzen Sie sich auf einen Sessel und legen Sie Ihre Handflächen auf die Oberschenkel. Dann klopfen Sie zweimal mit der linken Hand auf den linken Oberschenkel und stampfen mit dem rechten Fuß gleichzeitig dazu. Und dann das Gleiche mit rechter Hand und linkem Bein. Wenn Sie das in unterschiedlichen Tempi ohne Fehler schaffen, dann können linke und rechte Gehirnhälfte gut miteinander. Wenn nicht, dann üben Sie das – zu Hause auf der Couch, zwischendurch im Büro oder im Flugzeug. So aktivieren Sie die Nervenbahnen zwischen Ihren Gehirnhälften.

 

Fred Jendelid ist Nationaltrainer des ÖGV.

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