Ehrlich spielt am längsten

Von Jelle Zandveld

Haben Ehrlichkeit, Integrität und Höflichkeit – laut Royal & Ancient St. Andrews machen diese Begriffe den „Spirit of Golf“ aus – auch etwas mit Physiotherapie zu tun? Sehr viel, meine ich. Allein schon an der Körperhaltung am Golfplatz kann man oft erkennen, wie ein Spieler es mit den Grundgedanken des „Spirits“ hält.

Aus physiotherapeutischer Sicht – beruhend auf meiner persönlichen Einschätzung und langjährigen Erfahrung im Golfsport – lässt sich Folgendes ableiten: Jener Golfer, der den „Spirit of Golf“ großgeschrieben hat, wird allein aus seiner Körperhaltung der bessere Spieler sein. Wer am Golfplatz unredlich agiert, sei das durch Verstoß gegen die Etikette oder gar die Golfregeln, nimmt meist eine verspannte Haltung an, eher nach vorne gebeugt, um etwas zu verbergen oder sich zu „schützen“. Diese Haltung verursacht die sogenannte

„C-Position“: die Haltung ist beim Set-up in der Wirbelsäule nach vorne gebeugt. Diese nicht athletische Haltung reduziert die für den Golfschwung notwendige Rotations-bewegung, was sich direkt auf die Geschwindigkeit von Schläger und Ball auswirkt und als Folge kürzere Schlagweiten nach sich zieht. Mit anderen Worten: Verspannte Golfer (egal, aus welchem Grund; das kann, aber muss natürlich nicht mit mangelndem Spirit oder unredlichem Spiel zu tun haben) verlieren an Länge!

Entspannen Sie sich

Der integre und höfliche Spieler hingegen ist entspannt und versteht es, sich selbst in schwierigen Situationen zu beherrschen. Natürlich ist Golf ein Sport und Sport ist immer direkt mit Emotionen verbunden. Jeder Sportler muss seine Emotionen auch ausleben. So wie man sich über einen guten Schlag freuen darf und soll, so muss man auch, in angemessener Art und Weise seinen Frust ausleben.

Vielleicht ist es Ihnen am Platz schon mal aufgefallen, dass ein Mitspieler sich nie ärgerte, selbst bei den schlechtesten Schlägen … und dass er immer schlechter und schlechter performte? Das hat nicht nur mit den unterdrückten Emotionen zu tun, sondern auch mit der Muskelspannung, die nicht mehr kontrollierbar ist: Sind zu viele Emotionen im Körper, sowohl Euphorie als auch Frust, wird eine körperliche Spannung aufgebaut, die nicht mehr zum Spieler passt, und so können Schwungfehler im Spiel kommen. Angefangen von schlechter Set-up-Haltung bis zu Mobilitätseinschränkungen und Kraftverlust. Die Geschwindigkeit stimmt nicht mehr und das Timing ist weg.

Der integre und höfliche Spieler lässt seine Emotionen zu, ohne dabei seine Mitspieler zu stören. Damit bleibt die Körperspannung gleich und es entstehen keine Abweichungen im Rhythmus. Außerdem bleibt die Körpersprache entspannt.

Werden Sie nicht zur „Maschine“, sondern leben Sie Ihre Emotionen, aber verlieren Sie diese nicht aus dem Griff. Sie werden sehen, dass sich damit Ihr Spielrhythmus und damit auch Ihr Spiel an sich verbessert! Als Physio-therapeut und Osteopath bin ich auch immer mit Organpsychologie und muskulären Entspannungstechniken konfrontiert. Natürlich sind hier auch die Mentaltrainer gefragt. Wenn die Kooperation zwischen Mental- und Physio-Bereich – mithilfe der entsprechenden Coaches – gelingt, wird die dadurch erreichte Entspannung in jeder Handicapklasse von Vorteil sein.

Mein TippBeobachten Sie Ihre Atmung! 

In Stressmomenten, sowohl positiven als auch negativen, wird die Atmung schneller und oberflächlicher. Die sogenannten Hilfsatmungsmuskeln übernehmen, und schon ist die Entspannung weg. Die Schultern sind hochgezogen und leicht nach vorne geneigt.

Abhilfe: Legen Sie beide Hände auf den Unterbauch und versuchen Sie ganz ruhig mit dem Bauch zu atmen. Sie werden bemerken, dass die Schultern sich entspannen und Sie sich wieder auf die nächste Aufgabe konzentrieren können: den Ball zu schlagen. 

Schönes Spiel!

 

Jelle Zandveld ist Physiotherapeut und Osteopath und beschäftigt sich seit 2006 intensiv mit Golfsportlern. Er betreibt seine Praxis in Vorarlberg.

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