Handicap 30

...und es geht nix weiter!

Von Alfred Ruhaltinger

Etwa 80 Prozent der Golfer haben es und wollen es meist nicht mehr. Aber viele von ihnen wissen keinen Rat und gehen die Sache oft mit falschen Mitteln an. Hcp 30 und es geht nichts weiter. Vielen begeisterten Golfern vergeht dabei oft die Lust an einer der schönsten Sportarten. Wir haben Experten um ihre Tipps für einem Ausweg aus dem Dilemma befragt.

Erwin spielt seit drei Jahren Golf. Die ersten beiden Jahre sind sehr viel­versprechend verlaufen. Nach der Platzreife gleich das erste Turnier in seiner Klasse gewonnen, beim zweiten gleich wieder auf Rang zwei. Nach einem Jahr Hcp 33. Im zweiten Jahr beständig auf Hcp 29,8 herunter­gespielt. Aber jetzt im dritten Jahr geht einfach nichts weiter. Seine Kumpels, mit denen er gemeinsam begonnen hat, alle um die 45, haben schon alle um Hcp 25 oder besser. Erwin ist frustriert und der Spaß am Golfspielen hat ihn schon fast verlassen.

Was der Golfpro sagt

Diese und ähnliche Geschichten gibt es hunderte auf Österreichs Golfplätzen. Viele Golfer erreichen relativ rasch Hcp 30, dann ist aber sehr oft Schluss. Vor allem trifft es Golfer, die erst rund um den 40er beginnen. „Ich beobachte das fast jeden Tag auf der Driving Range. Die Hcp-30-Spieler, sofern sie überhaupt die Driving Range frequentieren, trainieren meist völlig konzeptlos. Wichtig ist ihnen die Länge ihrer Schläge, daher wird der Driver viel zu oft frequentiert. Auf Genauigkeit und Richtung wird wenig Wert gelegt“, beschreibt Manfred Knauss, Head Pro der Golfschule Böhmerwald, die falsche Fokussierung beim Training. Das größte Manko bei dieser Zielgruppe ist aber das kurze Spiel. „Spieler dieser Handicap-Klasse trainieren zu 90 Prozent die langen Schläge und nur zu ca. 20 Prozent chippen und putten sie, umgekehrt wäre es für diese Zielgruppe viel erfolgversprechender. Dies führt oft dazu, dass sie bei einem Par 4 zwar mit zwei Schlägen rund ums Grün liegen, dann aber statt Chip und Putt noch vier Schläge benötigen, da kann kein Score herauskommen“, ergänzt der erfahrene Pro.

Ein weiteres Problem ist die Selbsteinschätzung. Manfred Knauss bezeichnet dies als die Einschätzung in der Berechnung des eigenen Korridors: „Viele Golfer legen ihren Korridor auf 200 m Drivelänge aus, obwohl ihre Längen meist bei rund 160 m liegen. Dann passt natürlich das ganze Course-Management nicht mehr zusammen, da sie oft nur mehr frustriert und verkrampft an die Sache herangehen und natürlich keine Chance haben, ihre Ziele zu erreichen.“

Aus der Sicht des Physiotherapeuten

Ein weiterer Punkt ist die physische Voraus­setzung, die viele Golfer mitbringen. Jan Zandveld, Golf-Physiotherapeut, unterscheidet hier ­zwischen jungen und älteren Golfern:

„Junge Spieler lernen schneller und sind offen für neue Bewegungsmuster, sie haben noch nichts Falsches eingelernt. Die größte Gefahr für sie ist die Länge der Schläge. Sie sehen bei ihrem gleichaltrigen Freund mehr Länge und höhere Schwunggeschwindigkeit. Sie versuchen dann mit aller Gewalt, auch diese Weiten zu erzielen. Dabei überschätzen sie oft ihre Möglichkeiten und es werden grobe Schwungfehler ,eingeschliffen‘. So entstehen durch Überlastung Wirbelsäulenprobleme und muskuläre Schmerzen bei zu viel Training. Kinder und Jugendliche brauchen Trainingspausen, denn eine Überlastung schadet massiv dem Körper.“

Bei Spielern, die erst später mit dem Golfspielen beginnen, sieht die Lage anders aus: „­Ältere Spieler sind es gewohnt, ihren Körper in bestimmtem Bewegungsmustern zu bewegen. Leider passt das oft nicht ganz zum Golfschwung. Jeder ältere Golfer hat eine körperliche Geschichte mit Unfällen, Krankheiten, ­Arbeitshaltung usw. Um herauszufinden, wie der Spieler an sich arbeiten kann, ist es sehr wichtig, zuerst feststellen, wo diese individuellen Probleme liegen. Es gibt keine ,Eierlegende Wollmilchsau‘-Übung! Optimal ist ein golfspezifisches Screening, wie es zum Beispiel TPI anbietet. Mit den individuellen Übungen sollte jeder Golfer dann zu einem Thera­peuten gehen, der sich auch mit Golf auskennt.“ Zandveld schwört auf diese Vorgehensweise: „Ich habe vielen Golfern mit speziellen Übungen geholfen, beweglicher zu werden, dies führte fast immer zum Erfolg, mehr Weite, aber vor allem mehr Genauigkeit war das Ergebnis.“

Übrigens: Über 30 Golfpros arbeiten mittlerweile mit der TPI-Methode. Wer genau, das finden Sie unter mytpi.com.

Medizinisch gesehen

Verkrampft an die Sache herangehen, das ist im wahrsten Sinn des Wortes der falsche Weg. Dr. Robert Kocher, Verbandsarzt des ÖGV, sieht das aber sowohl bei jungen als auch bei älteren Spielern. „Egal wie alt ein Golfer ist, durch die einseitige Bewegung entstehen rasch muskuläre Verkürzungen und Dysbalancen. Diese müssen in jedem Alter durch eine nachhaltige funktionelle Gymnastik ersetzt werden.“ Gemeinsam mit dem Orthopäden Univ.-Doz. Dr. Bernhard E. Zwick hat Kocher die ­„Kocher + Zwick“-Methode entwickelt, die eine durchgängige Behandlung, von der Diagnose bis zur richtigen Bewegungstherapie, garantiert.

Beide Ärzte schwören bei Golfern ebenfalls auf das golfspezifische ­Screening von TPI: „Dabei wird exakt der körperliche Ist-Zustand ­erhoben und danach ein persönlicher Trainingsplan erstellt. Wir verfolgen einen genauen Ablauf, um möglichst rasch und effektiv körperliche Defizite auszumerzen“, erläutert Kocher die individuelle Behandlung für jeden Golfer.

Alles nur eine Kopfsache?

Trainiert und Golf gedacht wird auf der Range, am Platz wird Golf gespielt. Das Ergebnis stellt sich aber nur ein, wenn Körper und Geist als eine Einheit funktionieren. Viele Durchschnittsgolfer sind zwar fit, stehen sich aber trotzdem oft selbst im Weg, Mentalcoach Kristin Walzer, die unter anderem auch mit Markus Brier erfolgreich zusammenarbeitet, kennt das zur Genüge: „Junge Spieler sollten sich die Zeit nehmen, gute Spieler und Pros zu beobachten. Wie trainieren sie, Preshot-Routine vor jedem Schlag. Junge Spieler sollten überwiegend nicht allein trainieren, am besten ist es, gleichwertige Trainingspartner zu finden, um den Wettkampf zu simulieren, sowohl auf der Range als auch auf dem Platz. Der Sieger bekommt vom Verlierer die Schläger gewaschen. Das Wichtigste aber ist: Lockerheit behalten und Spaß beim Spiel haben.“

Bei älteren Semestern bzw. Späteinsteigern ist für Walzer entscheidend, sich den eigenen Druck zu nehmen: „Diese Spieler sollten aufhören, auf der Turnierrunde ständig Punkte zu zählen und sich mit dem Score auseinanderzusetzen. Viel wichtiger ist es, Schlag für Schlag zu spielen und Spaß zu haben, denn nur so bleibt man locker, das gute Ergebnis kommt dann von selbst.“ Generell sieht Walzer viel zu viele verkrampfte Golfer, die nur ihren Score im Kopf haben.

Die diplomierte Mentaltrainierin schwört zur mentalen Vorbereitung auf die „Baumübung“. „Wenn die Übung einige Male zu Hause oder in der freien Natur ausgeführt wird, stellt sich eine innere Ruhe ein, mit der man auf kommende Ereignisse mehr als gut vorbereitet ist.“

Baumübung: Balance zwischen Herz und Verstand

Bei den meisten Sportlern wird unter Druck, Nervosität und Anspannung die Verbindung zum Boden geringer oder geht überhaupt verloren. Die Atmung verwandelt sich meist in eine flache Brustatmung.

Der Vorteil der Baumübung ist, dass die Verbindung mit dem Boden, die tiefe Bauchatmung, die Stabilität und das Vertrauen gleichzeitig und schnell aktiviert werden, ohne spezifisch darauf hinweisen zu müssen. Mit mehrmaligem Üben verankert man allein mit der Vorstellung oder dem Wort Baum die gewünschten Ergebnisse.

Ziele
  1. Vorstellung eines Baums vor dem inneren Auge
  2. Genaue Betrachtung in Farbe, Form, Geruch… und die Überlegung, wie tief die Wurzeln in den Boden gehen
  3. Ich bin dieser Baum
  4. Atmung in die Tiefe der Wurzeln; alles abfließen lassen, was nicht zu mir gehört
  5. Verbindung über meinen Stamm und meine Äste in die Luft, die Sonne und den Kosmos, bewusstes Verfolgen meiner Atemströme
  6. ich ruhe in meiner Mitte, vertraue mir und meiner Standhaftigkeit. Und damit vertraue ich dann auch auf mein Spiel.

Wer diese Methode anwendet, der merkt schnell, wie konzentriert, aber ruhig er an sein Golfspiel herangeht.

Alle Experten sind sich einig: Die meisten der Handicap-30-Spieler haben das Potenzial, sich zu verbessern. Sie müssen nur den richtigen Weg gehen. „Wer glaubt, auf den Parkplatz zu kommen, den Bag herausnehmen, auf Tee 1 zu gehen und unaufgewärmt auf den Driver zu hauen, das sei das richtige Mittel, der wird es nicht schaffen und auch in Zukunft keinen oder nur wenig Spaß am Golfspielen haben.“

Richtiges Trainieren, an seiner Fitness arbeiten und Golfen als Spiel und nicht als sozialen Zwang sehen, das reicht oft schon aus, sich beim nächsten Turnier locker zu verbessern. Die Betonung liegt auf locker.

Manfred Knauss ist Head Pro der Golfschule GC Böhmerwald. knauss-golf.de

Kristin Walzer ist MentalTrainerin, DVNLP Lehrtrainerin & Coach sowie Lebens- und Sozialberaterin. kristin@kristinwalzer.at

Dr. Robert Kocher (l.) ist Chirurg und Unfallchirurg sowie Verbandsarzt des ÖGV. Hcp 3,9.

Dr. Bernhard E. Zwick (r.) ist Orthopäde und Kinderorthopäde sowie Verbandsarzt des ÖGV und TPI Golf Medical Professional. Hcp 7,4.

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